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In dem nun folgenden Kapitel geht Braasch sehr aufwendig und detailliert auf die ägyptische Schiffbautechnik ein.
Und das ist jetzt zur Abwechslung einmal alles korrekt und gut recherchiert. Rätselhaft bleibt lediglich, was er mit dem Kapitel sagen will.
Nur aufgrund des folgenden Kapitels läßt sich vermuten, daß er hier klarmachen will, Seefahrt hätte in Ägypten gar nicht entwickelt werden können. Er sieht einfach keinen Bedarf für die Seefahrt.
Mit genau denselben Argumenten, die hier ins Feld geführt werden, läßt sich aber ebenfalls jegliche Motivation der norddeutschen Megalithiker zur Seefahrt verneinen, zumal die Nordsee weit schwieriger als das Mittelmeer beherrschbar ist. Zudem stellt er die Frage nach der Henne und dem Ei:
wenn es in Ägypten kein anständiges Bauholz für Schiffe gab, mit welchen Schiffen ist man dann an die libanesische Küste gereist, um solches Bauholz erstmals zu kaufen?
Ganz so untüchtig waren aber auch die frühen ägyptischen Konstruktionen
nicht. Es stimmt, daß die Bauweise aus kurzem Akazienholz umständlich und wenig robust war. Also mußten die Ägypter ihre Schiffe verstärken. Das Hauptproblem waren die lang überhängenden Vor- oder Achtersteven, die stets dazu neigten, sich zu senken, und die für höhere Wellen einen empfindlichen Angriffspunkt darstellten.
Zahlreiche Darstellungen auf Wandreliefs lassen uns erkennen, wie man dem Problem begegnete.
Ein starkes und mehrsträngiges Tau wurde an beiden Steven befestigt und mittschiffs über einige mannshohe, gabelförmige Stützen geführt. Durch Drehen einer zwischen die Taustränge gesteckten Stange konnte man die Trosse straffen und Vor- und Achtersteven unter der notwendigen Spannung halten. Daneben trug diese Spanntrosse zur allgemeinen Festigkeit des Schiffskörpers bei. Der Mast wurde oft zweibeinig
konstruiert, d.h. an beiden Bordwänden befand sich ein Mast, der sich oben mit dem anderen vereinigte. So konnten sein Gewicht und die auf den Mast einwirkenden Zugkräfte besser verteilt werden.
Zugegeben, auch dadurch wurde das Schiff noch nicht hochseetüchtig im
heutigen Sinne des Wortes. Das aber war kaum ein Schiff der Antike.
Die ganze antike Seefahrt war größtenteils ein ängstliches Entlangschippern an den Küsten, so daß man beim geringsten Anzeichen schlechten Wetters sofort anlegen konnte. Auch abends wurde regelmäßig angelegt und an Land übernachtet. Das machten nicht nur die späteren, sehr viel seetüchtigeren Phönizier noch so, sondern sogar noch die Wikinger.
Die größte Katastrophe, die einem antiken Seefahrer zustoßen konnte, war, daß das Land außer Sicht geriet.
Die Erzählungen der Odyssee berichten anschaulich, wie hilflos man
dann war, sodaß man mit seinem Leben abschloß und nur noch die Götter
anrufen konnte. Mit dieser Gutwetter-Küstenschifferei konnten die Ägypter also durchaus auch mit ihren Akazienholzkonstruktionen bis nach Byblos gelangen, um erstmals besseres Schiffsbauholz zu erwerben. Zudem muß manauch mit der Möglichkeit rechnen, daß die Schiffe für diese erste Bauholzbeschaffung gechartert waren.
Diese Art der Schiffahrt war problemlos im ganzen Mittelmeer möglich, von einer Ausnahme abgesehen: der ägäischen Inselwelt! Hier gab es allerdings eine Notwendigkeit nicht nur zur Seefahrt schlechthin, sondern auch zur frühen Entwicklung von Navigationskenntnissen für das offene Meer. Nun sind leider die frühen Funde aus diesem Raum weit dürftiger, als die aus Ägypten. Die Ritzzeichnungen auf kleinen Tonscherben aus der Zeit um 3000 v.Chr. zeigen kaum mehr, als daß es sich um geruderte Schiffe mit hochaufragenden Steven gehandelt hat, die mit Tierköpfen verziert waren. Es ist genau dieser Bootstyp, den Braasch nun als Fremdeinfluß bei den Ägyptern dingfest macht (vor allem bei dem sehr viel späteren Seevölkereinfall!), und dessen Tierköpfe ihn wohl an die Wikingerschiffe erinnert haben.
Da aber seit frühester Zeit ein lebhafter Kulturkontakt zwischen der ägyptischen und der minoisch-ägäischen Welt belegt ist, ist auch der Ursprung dieses Schiffstypes eher in der Ägäis und nicht in Schleswig-Holstein zu suchen.
Es gibt ein weiteres Argument dafür, daß die ägyptische Schiffbautechnik nicht aus dem Norden übernommen worden ist:
die Ägypter bauten zunächst aus vielen kleinen Bordplanken den Rumpf, in den sie danach die Spanten und einen verstärkenden Längsbalken einbauten. Dieser verstärkende Längsbalken - der Kiel - wurde in den nördlichen Mittelmeerländern zuerst aufgelegt, und daran wurden anschließend die Spanten befestigt.
Diese zweite Methode ist der ägyptischen weit überlegen und bis heute noch üblich. Bei einer Übernahme aus dem Norden hätten die Ägypter also bestimmt nicht auf diese Konstruktionsart verzichtet.
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